Sonntag, 2. April 2017

Frau will keinen Krieg unterstützen und behält Steuer ein !

















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HAGEN/MÜNSTER.   Rentnerin Gertrud Nehls aus Hagen will keine Kriege finanzieren. Deshalb behält sie Steuern ein und muss sich nun vor Gericht verantworten.
Hinter Aktenzeichen 1 K 853/14 E verbirgt sich am Finanzgericht Münster ein ganz besonderes Verfahren.
Vor dem Richter in Saal 403 direkt unter dem Dach
sitzt die Pazifistin Gertrud Nehls (77) aus Hagen.
Die resolute Rentnerin hatte im Jahr 2013 einen
Teil ihrer Einkommenssteuer einbehalten. Der Grund:
Sie möchte nicht, dass mit ihrem Geld der deutsche
Verteidigungs-Etat finanziert wird.

Die Schrecken des Krieges erlebt

Gertrud Nehls, 1939 geboren, hat als kleines Kind die Schrecken
 des Zweiten Weltkrieges miterleben müssen. Noch als junge
 Krankenschwester hat sie Menschen behandelt, die noch
Jahre später unter den Folgen dieses grauenvollen Krieges
 leiden müssen.
„Das“, so sagt sie noch heute, „hat mich mein Leben
 lang geprägt. So etwas vergisst man nicht.“

Traurige Reise nach Bagdad

Sie schließt sich der Friedensbewegung an, engagiert
sich schon seit Jahren in der Flüchtlingsarbeit, reist nach
Bagdad und erlebt, wie besonders Kinder an den Folgen
des Einsatzes von abgereichertem Uran im Golfkrieg leiden.
„Das Trinkwasser einer ganzen Region ist dort verseucht“,
 sagt Gertrud Nehls, „die Menschen werden aufgefordert,
 kein Gemüse von den Feldern zu essen. In einer Klinik
habe ich so schlimme Bilder sehen müssen, dass ich raus
 gerannt bin. Ich habe das nicht ausgehalten.“
Als sie im Internet auf die Seite „Netzwerk Friedenssteuer“ stößt,
beschließt sie, den Teil ihrer Steuer einzubehalten (rund elf Prozent),
 der in den Verteidigungshaushalt der Bundesrepublik
 Deutschland fließt. „Die Zahlung meiner Steuern
 schafft mir Gewissensnöte“, begründet Gertrud Nehls
 ihren ungewöhnlichen Entschluss. „Wenn ich die
Steuer komplett zahle, finanziere ich Umweltzerstörung,
Rüstungsexporte, Militär und Kriege einschließlich
der Ausbildung zum Töten.“

Begründung an das Finanzamt

Also beruft sich Nehls in einem Schreiben,
das sie selbst formuliert und im Dezember 2013
 an das Finanzamt Hagen geschickt hat,
auf ihr Grundrecht auf Gewissensfreiheit 
nach Artikel 4 Absatz 1 des Grundgesetzes.
„So wie früher der Kriegsdienst verweigert werden konnte,
 möchte ich meine Steuern nur für zivile Zwecke
 verwandt wissen“, so Nehls. Besonders solle
 dabei die Friedenserziehung von Jugendlichen
in Schulen berücksichtigt werden.

Die Quittung folgt Jahre später

Für ein Quartal behält sie einen Teil ihrer fälligen
Vorauszahlungen Ende 2013 ein. Und bekommt Jahre
später die Quittung dafür. „Wenn man sich in der
Friedensbewegung einbringt, muss man auch mal
bereit sein, ein bisschen anders vorzugehen.
Ich bin ja gern ein bisschen aufmüpfig“,
sagt die engagierte Überzeugungstäterin aus Haspe.
 „Das Finanzgericht hat mir angeboten, sich ohne
Prozess mit mir zu einigen. Aber das wollte ich ja gar nicht.“
Also muss die 77-Jährige nun in Münster erscheinen.
Und macht sich dabei keine großen Illusionen:
 „Ich weiß natürlich, dass ich in de
r Verhandlung keine Chance habe“, sagt Gertrud Nehls,
„aber ich will doch zumindest die Chance nutzen, dem
Gericht meine Argumente vorzutragen.“

HINTERGRUND: Keine Ausnahmen möglich

Fälle wie der von Gertrud Nehls kommen im
Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes so gut wie nicht vor.
Das erklärt Werner Zitzelsberger, Leiter des Finanzamtes, der sich zur konkreten Sache nicht äußern darf.
Ähnlich verhalten sich die Fälle von Reichsbürgern,
die die Behörde (und den Staat dahinter) so nicht anerkennen.
Bei säumigen Steuerzahlern sieht sich das Finanzamt Hagen
schon aus Gründen der Steuergerechtigkeit in der Pflicht,
offene Beträge einzutreiben. Ausnahmen seien hier nicht möglich.