Dienstag, 29. April 2014

Ostukraine: Gefangengenommener NATO-Spähtrupp sollte Kriegsbereitschaft untersuchen




Von Knut Mellenthin - Drei Tage nach der Gefangennahme von sieben westlichen Offizieren in der Ostukraine herrschte am Montag immer noch Unklarheit über deren wirklichen Auftrag.
Obwohl die offizielle Version der Berliner Regierung, die Männer seien im Dienst der »Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa« (OSZE) unterwegs gewesen, schon am Sonntag geplatzt war, sprachen die deutschen Mainstream-Medien weiter hartnäckig von »OSZE-Beobachtern«. Nachdem die russischsprachigen Föderalisten einen zuckerkranken Schweden freigelassen hatten, befanden sich noch drei Offiziere der deutschen Bundeswehr, deren Dolmetscher, je ein Offizier aus den NATO-Staaten Tschechien, Polen und Dänemark sowie vier Angehörige der ukrainischen Streitkräfte, die sie begleitet hatten, in Gefangenschaft. Die OSZE ist die Nachfolgeorganisation der früheren KSZE. Ihr gehören alle europäischen Staaten einschließlich der Türkei, die USA und Kanada, die Republiken der früheren Sowjetunion und die Mongolei an. Welchen Status die am Freitag in der Umgebung der Stadt Slowjansk festgenommenen Offiziere hatten, blieb auch am Montag zunächst unbekannt. Offiziell zugegeben wurde lediglich, dass sie nicht der OSZE-Mission in der Ukraine angehören, die am 21. März beschlossen worden war und an der die deutsche Bundeswehr mit zehn Offizieren beteiligt ist. Mitgeteilt wurde außerdem, dass die Führung des Spähtrupps bei der deutschen Bundeswehr gelegen habe. Grundlage des Einsatzes sei, so verlautete aus Berlin, das sogenannte Wiener Dokument von 2011 gewesen. Dieses Abkommen zwischen den 57 Mitgliedstaaten der OSZE sieht mehrere Optionen für bilateral vereinbarte Besuche und Inspektionen vor. Möglicherweise handelte es sich um eine »Verifikation« nach Abschnitt IX des Dokuments. Das würde bedeuten, dass sich Deutschland selbst in die Ostukraine eingeladen und auch die anderen Teilnehmerländer ausgesucht hat. Die Begleitung des Teams durch einheimische Offiziere ist in diesem Fall nicht nur üblich, sondern direkt vorgeschrieben. Dass es sich um einen Spionageauftrag handelte, ist vernünftigerweise nicht zu bezweifeln. Allerdings verwendet weltweit niemand, der so etwas treibt, das negativ besetzte Wort. Stattdessen ist der besser klingende Begriff »Aufklärung« gebräuchlich. Tatsache ist, dass die Vereinbarungen zwischen den OSZE-Mitgliedern ein Spektrum legalisierter Formen von gegenseitiger militärischer Aufklärung gestattet. Die dahinter stehende Philosophie ist, dass es zur Verringerung von Misstrauen und Spannungen beitragen kann, wenn die Teilnehmerstaaten in Maßen, nach Absprache und auf koordinierte Weise in allen anderen OSZE-Ländern herumschnüffeln dürfen. Für nichtstaatliche Kräfte wie die Föderalisten in der Ostukraine, die an den kooperativen Prozessen der OSZE-Länder nicht beteiligt sind, muss sich das allerdings ganz altmodisch wie unerwünschte Spionage ausnehmen. Das hartnäckige Berliner Schweigen über den Aufklärungsauftrag der festgenommenen Offiziere wird durch die Mitteilungsfreudigkeit des Leiters des Spähtrupps, Bundeswehroberst Axel Schneider, wenigstens teilweise ausgeglichen. In einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk erläuterte er nur zwei Tage vor der Gefangennahme durch die Föderalisten, das von ihm geleitete Team wolle sich ein Bild davon machen, in welchem Zustand die ukrainischen Streitkräfte seien. Dazu gehörten, so Schneider, Gespräche mit ukrainischen Soldaten, um Erkenntnisse über das »Selbstbewusstsein, über die Schlagkraft von Einheiten« zu gewinnen. Neben dem Ausbildungsstand der Soldaten interessiere man sich auch dafür, wie stark sie sich »mit ihrem Land identifizieren«. Daraus leite man »auch ihre Bereitschaft ab, für das Land in den Einsatz zu gehen«. Es bleibt die Frage: Warum will die Bundesregierung das wissen? Und mit wem teilt sie ihre Erkenntnisse? Gibt sie der Kiewer Junta auch militärische Ratschläge? (Quelle: jW)